Unsere Erfahrungen, Einstellungen, Sichtweisen und die Art, wie wir die Welt bisher kennengelernt haben, erzeugen eine spezielle und persönliche Art des Denkens und Handelns, die sich ständig wiederholt. Problematisch wird das erst dann, wenn unsere Form des Denkens und Handelns nicht mehr erfolgreich ist: Weil sich die Umweltbedingungen geändert haben, weil wir unsere Ziele abwandeln oder weil nun andere Menschen mit anderen Erwartungshaltungen beteiligt sind.
Diese Erfolglosigkeit bestimmter Muster erzeugt manchmal so etwas wie eine Opferrolle. Menschen erleben sich in einer bestimmten Situation als hilflos: Nur wenn sich die anderen oder die Umstände ändern, meinen sie auch selbst wieder etwas beitragen und aktiv werden zu können. Aus einer systemischen Sichtweise vermag jedoch jeder Mensch, der mit seinen Denk- und Handlungsweisen ein Problem erzeugen kann, dieses Problemmuster auch wieder zu verändern. Dazu braucht es vielleicht einen Anstoß von außen – durch Fragen, Anregungen, Aufstellungen, Rituale, neue Bilder etc., um aus dem bisherigen Denkschema aussteigen und ein neues – Erfolg versprechenderes – Muster anwenden zu können.
Die Opferrolle hat manchmal aber auch gewisse Vorteile zu bieten: Ängste müssen nicht bearbeitet werden und möglicherweise gibt es für Opfer auch verschiedene Formen von Unterstützung (Zuwendung, Geld...). Dazu kommt, dass manche Opfer auch Energie aus der moralischen Überlegenheit (ich bin besser als die Täter) beziehen. Es braucht also viel Motivation, um jemand der gerade in der Opferrolle gefangen ist, zu einer Veränderung anzuregen.
Doch niemand bleibt aus bewusster Entscheidung ein „Opfer“. Die Rolle wird nur aus Mangel an Alternativen behalten. Grundsätzlich wollen wohl alle Menschen ihr Leben selbst gestalten und fühlen sich nicht gerne fremdbestimmt. So können auch Menschen, die lange in der Opferrolle verharrten, wieder zu aktiven Gestaltern ihres Lebens werden. Wenn es ein „wozu“ gibt, ein gutes Ziel und attraktive Visionen, wird das Aufgeben der Opferrolle mit den damit verbundenen Vorteilen in Kauf genommen.
Das schamanische Prinzip „Makia – Energie folgt der Aufmerksamkeit“ betont die Veränderungsmöglichkeiten in jeder Situation. Wenn wir unsere Aufmerksamkeit auf die bisherigen Schwierigkeiten, die Ohnmacht oder die schmerzhaften Erfahrungen lenken, werden wir mit unserer eigenen Energie mehr davon erzeugen. Wenn wir unsere Aufmerksamkeit in Richtung einer möglichen Lösung lenken – ohne, dass wir von der Lösung mehr als eine erste Ahnung haben müssten – wird sich unsere Energie in eine neue, konstruktivere Richtung lenken. Die Auswirkungen davon können meist schon bald als konkrete Ergebnisse beobachtet werden.