Ich habe ein Muster entwickelt – oder vielleicht auch aus meinem Familiensystem übernommen – das mich in letzter Zeit immer wieder mal stutzig macht: Ich versuche mir Liebe und Zugehörigkeit zu erarbeiten. Wenn ich viel tue, dann fühle ich mich wertvoll. Wenn ich nützlich sein kann, fühle ich mich geliebt.
Dieses Muster hat mehrere Voraussetzungen:
Ich muss jemand finden, der mich braucht. Und wenn man mich nicht braucht, dann einen Grund finden, wie ich doch gebraucht werden könnte. Dabei spreche ich anderen möglicherweise ihre eigenen Fähigkeiten und Möglichkeiten ab.
Und ich muss Eigenschaften entwickeln, die gebraucht werden. Ich tue also, was ich glaube, das von mir erwartet wird. Sind es jene Eigenschaften, die ich wirklich leben will? Sind es jene Aufgaben, für die ich mich selbst entscheide? Wer bin ich und wer werde ich in dieser Haltung?
Das Muster hat außerdem eine Auswirkung: Ich erwarte etwas. Ich erwarte Dankbarkeit, Liebe, Zuwendung, Zugehörigkeit.
Zwischen uns Menschen wird es wohl nie eine Liebe geben, die völlig bedingungslos und frei ist. Doch gibt es vielleicht immer wieder eine Annäherung an ein größeres Prinzip der Liebe. Eine Liebe, die aus der unverbrüchlichen Zugehörigkeit zu einem größeren Ganzen kommt. Ich bin, weil ich geliebt werde. Und dann brauche ich möglicherweise nicht mehr so viel zu tun.
Die Antwort auf die existentielle Frage: „Wer bin ich?“ lautet letztendlich: „Ich werde geliebt.“
David Steindl-Rast