„Blut ist dicker als Wasser“ sei der Wahlspruch ihrer Familie gewesen, hat mir kürzlich jemand erzählt. Damit ist wohl gemeint, dass uns vor allem die genetische Verwandtschaft etwas angeht.
Vielleicht war das früher eine Überlebensstrategie. Wobei ich bezweifle, dass sie jemals wirklich sinnvoll war. Denn wir Menschen sind soziale Wesen, die in vielfältigster Weise aufeinander angewiesen sind. Keine Familie – und sei sie noch so groß und mächtig – kann sich allein versorgen. Wir stehen immer im Austausch mit anderen, brauchen die Verbindungen und wechselseitigen Verknüpfungen. Das gilt natürlich auch für Organisationen und Länder, die sich ja auch manchmal wie Familien verstehen.
In einer Zeit der raschen Veränderungen und gesellschaftlichen Herausforderungen, müssen wir über den Blutsbegriff ohnehin hinausdenken. Patchworkfamilien, Regenbogenfamilien, Wahlfamilien… bis hin zur Menschheitsfamilie, das Leben wird viel bunter. Und damit auch viel freier. Wenn wir all unsere Erwartungen von Geborgenheit, Unterstützung, Versorgung und Liebe auf eine kleine – biologische – Familie projizieren, werden wir wohl immer enttäuscht werden. Denn jede Familie hat neben ihren Geschenken wohl auch ihre Grenzen.
Lassen wir zu, dass der Familienbegriff erweitert wird, können wir uns auch bewusst mit jenen Menschen verbinden, die uns darüber hinaus fördern und unterstützen. Die Wahlfamilie kann dazu beitragen, dass wir in vielfältigen Beziehungen genährt sind. Und natürlich dürfen wir dann auch unseren Beitrag dazu leisten, Frieden und Harmonie in die größeren Familienstrukturen zu bringen. Vielleicht mit einer kleinen Geste, vielleicht mit einer jetzt gerade möglichen Handlung. Immer in der Hoffnung, dass genau das, was ich zu geben habe, auch ein wichtiger Beitrag ist.